In Berlin ist es kalt

28.11.18

Beim Verfassen meiner alljährlichen Adventsbotschaft muss ich manchmal an die Dame zwischen Sportschau und Tagesschau denken: die Lottofee. Nicht, weil ich erwarte, dass Sie hier ebenso gebannt auf meine Sätze starren wie die Lottospieler auf die Lippen der Zahlenverkünderin, sondern weil es sich auch für mich nicht schickt, die Dinge unverblümt beim Namen zu nennen. Dürfte die Lottofee dem Publikum einfach nur mitteilen, was der Fall ist, könnte sie zum Beispiel sagen: »Die Welt ist ungerecht. Während ich von drei Minuten Sendezeit pro Woche sehr gut lebe, ist Ihre Chance, bei diesem Spiel Gewinn zu machen, deutlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, sich beim Duschen den Arm zu brechen. Des einen Freud' ist eben des anderen Leid.« Doch das sagt sie natürlich nicht. Stattdessen redet sie formvollendet über fast nichts, in neun von zehn Fällen über das Wetter, um dann in einer halsbrecherischen Volte zur Sache zu kommen, den Zahlen und dem sogenanntem Glück.

Dürfte ich die Dinge beim Namen nennen, könnte ich zum Beispiel schreiben: »Sie brauchen Geschenke, und ich brauche Geld – also was zögern Sie noch?« Aber das wäre furchtbar taktlos. Also schreibe ich lieber:

Nussbaum

Auch in diesem Jahr möchte ich Ihnen eine neue Schatullenfamilie vorstellen. 2016 waren es die Modelle aus Japanlack, 2017 kamen eine Serie aus Riegelahorn und eine aus Zebrano hinzu. In diesem Jahr habe ich mir nun einen lange gehegten Wunsch erfüllt und endlich eine kleine Vollholzserie aus Nussbaum produziert. Wenn Sie nochmal zum Seitenanfang hochscrollen und auf das dort abgebildete Modell No. 518 klicken, dann steht Ihnen – kleines Wortspiel – in a nutshell vor Augen, was dieses Holz ausmacht: Es ist unglaublich farbenreich. Von Kohleschwarz und Schiefergrau über sämtliche Brauntöne bis zu Heidehoniggelb und Blattgold. Die hellen Teile des Nussbaumholzes verwenden wir, wie auf dem Foto zu sehen,  schon lange für Intarsien. Sie bilden einen zarteren Kontrast zum Stammholz der Gliederzypresse als die sonst üblichen schwarzen, gelben oder Wurzelhölzer. Wie unterschiedlich Nussbaum wirken kann, sehen Sie, wenn Sie nach No. 518 auch die beiden anderen Familienmitglieder betrachten: die ebenfalls vielfarbige, aber fast konturlose No. 519 und die goldgelbe No. 415.

Aber nicht nur die Maserung, auch Faser und Struktur lassen das Edelholz erkennen: steinhart und so dicht, dass vor der Endbearbeitung keine Poren mehr versiegelt werden müssen. Absolut polierfähig, daher gab es bei der Wahl der Oberfläche keine zwei Meinungen: Schellack und sonst nichts.

Tröpfeln und Rauschen

Bleibt noch das Wetter. Die Karte zeigt ein zweigeteiltes Land: In Berlin und im gesamten Osten ist es eiskalt, im Westen regnerisch. Das ist ein bisschen schade, denn der Weihnachtsmarkt im Freilichtmuseum Hagen, wohin ich morgen wieder aufbreche, kann erst dann wirklich als die europäische Antwort auf Disneyland gelten, wenn die Tannenwipfel im umliegenden Bergischen Land mit Schnee bedeckt sind. Das kommt zuweilen vor, aber auch Lottogewinne kommen ja zuweilen vor. Begnügen wir uns also mit dem, was hier üblich ist. Unten rauscht der Mäckingerbach und oben wärmt der Glühwein, während es hin und wieder in den Mantelkragen tröpfelt – darum schnell ins Trockene, in die alte Seilerei zum Beispiel, wo wir vom 30.11. bis zum 2.12. unseren Schatullenstand aufgebaut haben. Aber natürlich finden Sie das ganze Programm auch hier, nur eben ohne Tröpfeln und Rauschen: Bühne frei!

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